Die Staatsanwaltschaft München I hat am 26. März 2025 das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen deutschen Fußball-Weltmeister Jérôme Boateng im Zusammenhang mit dem Tod seiner Ex-Freundin Kasia Lenhardt (1995–2021) offiziell eingestellt. Die Behörde begründete die Entscheidung mit dem Grundsatz in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten. Die Beweislage reiche nicht aus, um die Vorwürfe der Körperverletzung, Nötigung und Verleumdung zu stützen. Es sei nicht möglich, mit ausreichender Sicherheit festzustellen, wie sich die Vorfälle zwischen Oktober 2019 und Februar 2021 tatsächlich abgespielt hätten. Die Ermittlungen, die sich auf mutmaßliche Gewalttaten in München und Berlin konzentrierten, waren nach Lenhardts Suizid im Oktober 2021 wieder aufgenommen worden – doch nun ist Schluss.
Warum die Beweise nicht reichten
Die Staatsanwaltschaft München I betonte in ihrem Einstellungsbeschluss, dass die einzigen physischen Hinweise – Fotos und der Obduktionsbericht der Staatsanwaltschaft Berlin – nicht nachweisen könnten, wann oder wie die Verletzungen entstanden waren. Die Todesursache war Suizid, doch die Frage, ob diese durch jahrelange psychische und physische Belastung beeinflusst wurde, bleibt offen. Kasia Lenhardt, ehemalige Kandidatin von Germany’s Next Topmodel, konnte als Zeugin nicht mehr aussagen. Und eine anonyme Hinweisgeberin, die Anfang 2025 kurzfristig Kontakt aufgenommen hatte, verschwand dann wieder – ohne einen Termin einzuhalten. Die Ermittler hatten gehofft, dass diese Zeugin neue Details liefert. Sie taten es nicht.Boatengs Reaktion: „Jetzt kann meine Familie zur Ruhe kommen“
Jérôme Boateng, 36, der 2014 mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister wurde und 2013 mit dem FC Bayern München die Champions League gewann, reagierte erleichtert. In einer Erklärung an die Medien sagte er: „Ich bin froh, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach fünf Jahren endlich einstellt. Sie erkennt an, dass meine Aussagen richtig und die Vorwürfe falsch waren. Ich hoffe, dass meine Familie und ich jetzt zur Ruhe kommen können.“ Er hat die Vorwürfe von Anfang an vehement bestritten. Doch die öffentliche Wahrnehmung war geprägt von einem anderen Bild – vor allem nach dem Interview, das er im Jahr 2020 der Bild-Zeitung gab. Darin warf er Lenhardt schwerwiegende Lügen und Manipulation vor. Die Medien übernahmen seine Version ungeprüft. Lenhardt war durch eine Verschwiegenheitsklausel in ihrer Trennungsvereinbarung dazu verdonnert, stillzulegen. Sie konnte sich nicht verteidigen.Ein früheres Urteil, das niemand vergessen hat
Was viele vergessen: Boateng ist bereits im Jahr 2024 vom Landgericht München I wegen vorsätzlicher Körperverletzung an einer anderen Ex-Partnerin – der Mutter seiner Zwillingsmädchen – verurteilt worden. Das Gericht sprach ihn schuldig, verhängte aber nur eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 5.000 Euro – also 200.000 Euro – unter Vorbehalt. Das bedeutet: Die Strafe wird nicht vollstreckt, solange er sich drei Jahre lang nicht erneut strafbar macht. Zudem musste er 100.000 Euro an zwei Kinderhilfsorganisationen zahlen. Die Staatsanwaltschaft hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt – und diese ist noch immer anhängig, wie der Stern am 17. November 2025 berichtete. Eine rechtskräftige Verurteilung steht also noch aus.Die Familie Lenhardt: „Kein Heldenstatus schützt vor Verantwortung“
Markus Hennig, Anwalt der Familie Lenhardt, reagierte mit scharfer Kritik: „Wir reden über einen Mann, der erst letztes Jahr rechtskräftig wegen Körperverletzung verurteilt wurde. Dass jetzt ein Verfahren eingestellt wird, weil eine verstorbene Frau nicht mehr aussagen kann – das ist kein Freispruch. Das ist ein Systemversagen.“ Er warnte vor einer „Bagatellisierung“ und betonte: „Ob er Champions-League-Sieger oder Weltmeister ist – das ändert nichts an der Verantwortung, die er trägt. Wer Menschen verletzt, sollte nicht mit einer PR-Kampagne davonkommen.“Die Dokumentation Being Jérôme Boateng, die im März 2025 von der NDR produziert und in der ARD ausgestrahlt wurde, zeigte eine andere Seite. In Episode drei, Vom Helden zum Angeklagten, räumte Boateng erstmals ein: „Ich habe Fehler gemacht. Nicht alle, aber einige.“ Er sprach von emotionaler Distanz, von schlechter Kommunikation – und von der Last, die er sich selbst aufbürdete. Sein Verteidiger, Dr. Thomas Mayer, kommentierte: „Der Jérôme Boateng der letzten sechs Jahre – das ist nicht Jérôme Boateng. Da gehört viel mehr dazu.“
Was jetzt kommt
Boateng wird wohl versuchen, sein Image wiederherzustellen – mit Werbeverträgen, Charity-Auftritten, vielleicht sogar einer Rückkehr ins Fernsehen. Sein Halbbruder Kevin-Prince Boateng, ebenfalls ehemaliger Profi, blieb bisher kommentarlos. Doch die öffentliche Debatte ist längst nicht vorbei. Die Familie Lenhardt plant, die Dokumentation als Grundlage für eine zivilrechtliche Klage gegen den Fernsehsender und die Medien zu nutzen, die ihre Tochter öffentlich beschimpft haben. Und die Revision im Fall der Zwillingsmutter bleibt hängen – ein weiteres Verfahren, das noch entschieden werden muss.Frequently Asked Questions
Warum wurde das Verfahren eingestellt, obwohl es Hinweise auf Gewalt gab?
Die Staatsanwaltschaft konnte keine eindeutigen Beweise für eine direkte Verbindung zwischen Boateng und den Verletzungen finden. Die Fotos und der Obduktionsbericht zeigen Verletzungen, aber nicht, wie, wann oder durch wen sie entstanden sind. Ohne eine lebende Zeugin oder eindeutige Spuren – wie Videoaufnahmen oder DNA – war eine strafrechtliche Verurteilung nicht möglich. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt strikt im deutschen Recht.
Warum durfte Kasia Lenhardt nicht auf die Vorwürfe reagieren?
In ihrer Trennungsvereinbarung mit Boateng war eine strenge Verschwiegenheitsklausel enthalten, die sie daran hinderte, öffentlich über die Beziehung zu sprechen. Als Boateng dann in der Bild-Zeitung schwere Anschuldigungen erhob, konnte sie sich nicht verteidigen – und wurde von der Boulevardpresse als Lügnerin dargestellt. Diese rechtliche Falle ist ein bekanntes Muster bei Prominenten und wird von Anwälten oft zur Machtabsicherung eingesetzt.
Hat Boateng jemals öffentlich um Verzeihung gebeten?
In der ARD-Dokumentation räumte er ein, Fehler gemacht zu haben – aber nicht konkret im Zusammenhang mit Kasia Lenhardt. Er sprach von emotionaler Distanz und Kommunikationsproblemen, nicht von Gewalt. Ein direktes Geständnis oder eine Entschuldigung gegenüber Lenhardts Familie gab es nicht. Das bleibt ein zentrales Versäumnis für viele Beobachter.
Was bedeutet die Revision gegen das Urteil von 2024?
Die Staatsanwaltschaft will das Urteil vom Landgericht München I überprüfen, weil sie der Ansicht ist, dass die Strafe zu milde sei. Falls die Revision Erfolg hat, könnte Boateng eine echte Geldstrafe erhalten – oder sogar eine Bewährungsstrafe. Das wäre ein weiterer Schlag gegen sein Image und könnte auch Auswirkungen auf seine Werbeverträge haben.
Kann die Familie Lenhardt noch etwas tun?
Ja. Sie planen eine zivilrechtliche Klage gegen die ARD und Medien, die Lenhardt öffentlich diffamiert haben, ohne ihre Seite zu recherchieren. Außerdem erwägen sie, eine Stiftung zu gründen, die Opfern von Gewalt in Beziehungen – besonders Frauen aus der Öffentlichkeit – rechtliche und psychologische Hilfe bietet. Das ist ihr Weg, aus dem Trauma etwas Positives zu machen.
Warum ist dieser Fall so wichtig für die Gesellschaft?
Weil er zeigt, wie schnell ein Mensch – besonders eine Frau – in der öffentlichen Wahrnehmung zerstört werden kann, wenn sie nicht mehr sprechen kann. Boateng ist ein Sportstar, und doch hat er mehrfach Gewalt ausgeübt. Das Verfahren endet mit einem juristischen Freispruch – aber nicht mit moralischer Entlastung. Es ist ein Warnsignal: Macht, Reichtum und Popularität schützen nicht vor Verantwortung – aber sie können sie verdecken.