Likör ohne Ei: Warlich Rum gewinnt Prozess gegen Spirituosen-Verband – Verbraucherrechte vor Markenschutz

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28 Okt
Likör ohne Ei: Warlich Rum gewinnt Prozess gegen Spirituosen-Verband – Verbraucherrechte vor Markenschutz

Am Dienstag, 29. August 2023, endete ein Rechtsstreit, der die Grenzen dessen auslotete, was Verbraucher noch nennen dürfen: Warlich Rum, ein kleines Hamburger Start-up, gewann vor dem Landgericht Kiel einen entscheidenden Sieg gegen den Schutzverband der Spirituosen-Industrie e.V.. Der Streit drehte sich um ein Produkt namens "Likör ohne Ei" – eine vegane Alternative zum klassischen Eierlikör, hergestellt auf Sojabasis mit Warlich Rum und Vanillegeschmack. Der Verband hatte die Bezeichnung als unrechtmäßige Verwendung des geschützten Begriffs "Eierlikör" angegriffen. Das Gericht sagte: Nein. Das ist kein Betrug. Das ist Klarheit.

Was das Urteil wirklich bedeutet

Das Gericht entschied, dass "Likör ohne Ei" keine irreführende Bezeichnung ist, sondern eine klare Abgrenzung. "Es ist kein Trick, es ist eine Aussage", erklärte Markus Richter, Sprecher des Landgerichts Kiel, nach der Verkündung. Die europäische Spirituosenverordnung schreibt vor: Wer "Eierlikör" sagt, muss Eier enthalten. Wer sie nicht hat, darf das sagen – und das hat Warlich Rum getan. "Wir haben nicht versucht, den Namen zu stehlen. Wir haben ihn umgedreht", sagt Dr. Ole Wittmann, Gründer und Geschäftsführer von Warlich Rum. Der promovierte Kunsthistoriker gründete das Unternehmen 2019 als Hommage an Hamburgs legendären Tätowierer Christian Warlich – und entwickelte den Likör als Antwort auf die Nachfrage nach veganen Alternativen.

Der Kläger: Ein Riese mit Angst

Der Schutzverband der Spirituosen-Industrie, vertreten durch Rechtsanwalt Christofer Eggers, argumentierte mit rigider Legalität: "Jede Anspielung auf einen geschützten Begriff ist verboten – egal, ob jemand getäuscht wird oder nicht." Hinter diesem Verband steht William Verpoorten, dessen gleichnamiges Unternehmen mit einem Jahresumsatz von etwa 50 Millionen Euro Marktführer im Eierlikör-Markt ist. Es ist kein Zufall, dass die Klage genau jetzt kam – während pflanzliche Lebensmittelalternativen wie Milch, Joghurt und Fleisch immer stärker Fuß fassen. "Das ist kein Verbraucherschutz", sagt Sebastian Joy, Vorsitzender von ProVeg. "Das ist Marktschutz. Sie wollen, dass wir nur ihre Produkte kaufen."

Der kleine Fehler, der 5.000 Euro kostete

Doch der Sieg war nicht vollständig. Warlich Rum musste 5.000 Euro an den Kläger zahlen – nicht wegen des Likörs, sondern wegen einer Werbeaktion. Um die Prozesskosten zu decken, verkaufte Wittmann eine limitierte Sonderedition: Das Etikett zeigte "Likör ohne E" – die Hahnenfeder verdeckte das letzte "i". Auf der Website wurde das Produkt als "LIMITIERTE & ZENSIERTE EDITION" beworben, mit einem Geschmack, der "eine Reise zu den Sternen" versprach. Das war ein Verstoß gegen eine vorherige Unterlassungserklärung – und das Gericht sah das als technischen Verstoß an. "Ich hätte nicht gedacht, dass ein Buchstabe so viel kosten kann", sagt Wittmann und lacht. "Aber es war ein Statement. Und das hat funktioniert."

Warum das ein Meilenstein ist

Dieser Fall ist kein Einzelfall. In der EU kämpfen seit Jahren Hersteller von pflanzlichen Milchalternativen gegen die Bezeichnung "Milch" – mit unterschiedlichem Erfolg. Der Schutzverband der Spirituosen-Industrie versuchte, den gleichen Weg zu gehen: Namensverbote als Waffe gegen Innovation. Doch das Gericht in Kiel hat eine klare Linie gezogen: Verbraucher sind nicht dumm. Sie wissen, was "ohne Ei" bedeutet. Sie wissen, was Eierlikör ist. Und sie entscheiden selbst. Das Urteil stärkt nicht nur Warlich Rum – es stärkt die gesamte pflanzliche Lebensmittelbewegung. "Es widerspricht dem Green Deal der EU, wenn man vegane Produkte mit juristischen Hindernissen blockiert", sagt Joy. "Jetzt ist klar: Wer etwas Neues macht, darf es auch benennen."

Was kommt als Nächstes?

Die schriftliche Urteilsbegründung wurde für Ende August 2023 angekündigt – und könnte als Präzedenzfall für andere Branchen dienen. Wer weiß, ob bald ein "Joghurt ohne Milch" oder ein "Käse ohne Kuh" vor Gericht steht? Der Schutzverband der Spirituosen-Industrie hat angekündigt, das Urteil zu prüfen. Ein Rechtsmittel ist möglich. Doch der Wind hat sich gedreht. Die Verbraucher wollen Transparenz. Sie wollen klare Namen. Und sie wollen keine alten Regeln, die Innovation behindern.

Frequently Asked Questions

Warum durfte Warlich Rum "Likör ohne Ei" nennen, obwohl Eierlikör geschützt ist?

Weil das Gericht entschied, dass "ohne Ei" keine irreführende Bezeichnung ist, sondern eine klare Abgrenzung. Die EU-Verordnung schützt nur den Begriff "Eierlikör", wenn Eier enthalten sind. Wer sie nicht verwendet, darf das offen sagen – und das ist kein Verstoß, sondern Verbraucherinformation.

Warum musste Warlich Rum trotzdem 5.000 Euro zahlen?

Weil das Unternehmen gegen eine vorherige Unterlassungserklärung verstoßen hatte: Es verkaufte eine limitierte Edition mit dem Etikett "Likör ohne E", wobei die Hahnenfeder das "i" verdeckte. Obwohl es als künstlerisches Statement gemeint war, war das ein technischer Verstoß gegen die vorläufige Gerichtsauflage – und wurde entsprechend bestraft.

Welche Bedeutung hat das Urteil für vegane Lebensmittel?

Es ist ein wichtiger Präzedenzfall: Wer pflanzliche Alternativen herstellt, darf sie klar und ehrlich benennen – solange keine Täuschung vorliegt. Das stärkt die Position von Unternehmen, die Transparenz und Innovation suchen, und widerspricht dem Trend, solche Produkte durch Namensverbote auszubremsen.

Wie unterscheidet sich Warlich Likör ohne Ei vom klassischen Eierlikör?

Der Warlich Likör ist vegan, glutenfrei, enthält keine Eier, keine Emulgatoren oder künstlichen Farbstoffe und ist auf Sojabasis hergestellt. Er hat 17 % Alkohol und einen dezenteren Vanillegeschmack, während klassischer Eierlikör oft dickflüssiger, süßer und mit Eigelb und Konservierungsstoffen hergestellt wird.

Welche Rolle spielt ProVeg in diesem Fall?

ProVeg unterstützte Warlich Rum öffentlich und wertete den Prozess als Teil eines größeren Trends: Etablierte Konzerne versuchen, pflanzliche Konkurrenz durch rechtliche Hürden zu behindern – nicht aus Verbraucherschutz, sondern aus Marktschutzinteressen. Das Gerichtsurteil bestätigt ihre These.

Kann der Schutzverband das Urteil noch anfechten?

Ja, er kann Berufung beim Oberlandesgericht einlegen. Doch die rechtliche Grundlage ist schwierig: Das Landgericht Kiel hat klar festgestellt, dass "ohne Ei" keine irreführende Bezeichnung ist. Eine erfolgreiche Berufung wäre ungewöhnlich – und würde den Verbraucherschutz in Europa auf den Kopf stellen.